Das Legen von kleinen, verschiedenfarbigen Steinen, sog. „Tesserae“, zu Gesamtbildern hat eine lange Tradition. Im römischen Reich erlangte die Mosaikkunst eine hohe Blüte: einzigartig das berühmte Alexandermosaik aus Pompeji mit der Darstellung der Schlacht von Issos. In der Folge entwickelte sich die frühchristliche Mosaikkunst, die unter dem Einfluss von Byzanz beeindruckende Kunstwerke (wie in Ravenna) schuf. Als Höhepunkt der Kunst der Mosaizisten zählt der Innenraum der Basilica di San Marco in Venedig: die oberen Bereiche der Wände und die gesamte Decke – insgesamt rund 8.000 qm – sind vollständig mit Mosaiken auf Goldgrund bedeckt. Wenn mittags die Beleuchtung in der Kirche eingeschalten wird, ist der Gesamteindruck umwerfend.

Während in der Antike Kieselsteine oder Marmorstücke verwendet wurden, kamen später stark lichtreflektierende Glassteine zum Einsatz und erweiterten die Farbpalette enorm. Durch das Einschmelzen von Silber- bzw. Goldfolien ergaben sich erstaunliche Gestaltungsmöglichkeiten. Diese farbigen Glassteinchen werden „Smalten“ genannt.

In Venedig war man schon früh (im 11. Jahrhundert) mit der Glasproduktion vertraut und so verwundert es nicht, dass dort eine bemerkenswerte Manufaktur ihren Sitz hat: Orsoni. Hier werden seit 1888 Mosaiksteine nach alter Tradition produziert, das Unternehmen hat dazu die Ausnahme-Genehmigung, noch einen Schmelzofen mit offenem Feuer direkt in der Stadt zu betreiben. Berühmt ist Orsoni für seine „Bibliothek der Farben“ mit 3.500 verschiedenen Farbtönen venezianischer Smalten. Jeder Farbton kann genau reproduziert werden und Abnehmer für Orsoni-Mosaiksteine finden sich überall auf der Welt: Kirchen, Moscheen, Museen, Boutiquen, Hotels und so manch Liebhaber für das private Badezimmer oder Schwimmbad.

Beeindruckend ist, dass die Herstellung der Smalten noch immer von Hand erfolgt. Die Glasmasse wird wie gewünscht gefärbt, geschmolzen und zu „Glaskuchen“ gegossen. Anschließend schneiden und brechen daraus fleißige Hände mit nur wenigen Hilfsmitteln die begehrten Mosaiksteinchen.

Beim Besuch bei Orsoni in Venedig taucht man in eine faszinierende Welt ein. Der morbide Charme der Ziegel-Gemäuer, die überall gestapelten Glassteine und Materialien in Säcken, Kisten, Schütten und sonstigen Behältern, die dazwischen platzierten Schaustücke und die endlosen Regale farblich sortierter Glasplatten – alles eine unglaubliche Flut an Eindrücken. Gelassen und freundlich bleiben die MitarbeiterInnen, wenn man ihnen (trotz sehr beengter Verhältnisse) bei der Arbeit über die Schulter schaut: für mich ein Ausdruck nicht nur von Professionalität, sondern auch Stolz auf echte, nicht alltägliche „Hand“arbeit.

Zum Schluss sei noch verraten, dass ich mir selbstverständlich immer gern ein Säckchen mit bunten Smalti mit nach Hause nehme.

Venedig: Mosaik von Orsoni

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